Hallo Peter,
Post by Peter LHallo,
im Forum der "Welt" las ich folgenden Beitrag (im Rahmen des
"Es muss mal an die Öffentlichkeit mit was die Polizei hier in
Deutschland auf die Bevölkerung schießt.
Das sind gleich mehrere Fehlinformationen auf einmal.
Ich vermute mal, zu diskutieren ist die persönliche Ausrüstung
normaler Polizisten, was in den Waffen von Sondereinheiten steckt
kann ggf. kurzfristig dem Einsatzziel angepasst werden.
In Deutschland ist Polizeimunition m.W. in allen Bundesländern schon
seit Jahren von "normalen" Vollmantel-Rundkopfgeschossen (VMRK) auf
irgendwas kontrolliert expandierendes umgestellt worden, die jeweils
im Einsatz befindlichen Geschoßtypen sind mir nicht bekannt.
Zu dieser Umstellung gibt es Argumente für und wider, daher mal eine
kleine Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- VMRK Geschosse machen kleinere Wunden. Für den beschossenen kann
dies den Vorteil haben, daß er, sofern ein Arzt sehr zeitnah greifbar
ist, die Verletzung mit weniger Beeinträchtigung überlebt. Sollte ein
Arzt nicht schnell greifbar sein ist es allerdings auch fast immer
eine Wunde, die in 2 Richtungen mit Volldampf bluten kann, mensch kann
da unter Umständen also schneller dran sterben als an einem
Steckschuß.
- Aufgrund der geringeren Wundwirkung ist es wahrscheinlicher, daß ein
bereits getroffener Gegner unter Schock weiterkämpft. Das ist, aus der
Sicht daß normale Polizisten die Dienstwaffe fast ausschließlich zur
Selbstverteidigung verwenden, wenig wünschenswert. Sofern der Beamte
in einer solchen Situation durch die verzögerte Wirkung nicht eh
zweiter Sieger geworden ist wird er weiterschießen und den Gegner
durch mehrere Treffer viel schwerer Verwunden als dies ein einzelner
sehr schmerzhafter Treffer mit einem Expansivgeschoß getan hätte.
- VMRK in 9x19mm, dem hier und in vielen anderen Ländern üblichen
Kaliber für Polizeipistolen verlieren beim Durchdringen eines Menschen
(ohne große Knochen zu treffen) etwa ein Drittel ihrer Energie. Das
bedeutet, daß hinter dem getroffenen Ziel ein Gefahrenbereich von etwa
einem km Länge entsteht, in dem Unbeteiligte zu Schaden kommen
können. Auch das ist sehr wenig wünschenswert.
Post by Peter LUnd zwar mit Weichkern-Mantelgeschosse.
Das war vor der oben diskutierten Umstellung so. Solange wir aber von
normalen Kurzwaffenkalibern reden: Da expandiert und verformt sich
fast nichts. Ich hab schon jede Menge solcher Geschosse aus dem
Kugelfang geholt, die sind danach fast neu. Auch von Jägern ist mir
nicht bekanntgeworden daß derlei Munition (etwa in Gebrauch bei der
Nachsuche) expandiert, wobei die meisten Jäger etwas energiereichere
Kurzwaffen und/oder geeignetere Geschosse bevorzugen.
Post by Peter LDie sind nach der Genfer Konvention für die Kriegsführung geächtet
und verboten.
Korrekt.
Post by Peter LSoldaten dürfen mit solcher
Munition keinen Krieg führen. Wenn doch, dann kommen solche Leute
vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
... wenn ihre Seite den Krieg verloren hat und den Siegern etwas daran
liegt.
Post by Peter LDiese Polizeikugeln sind absolut tödlich.
Nein. Das habe ich oben darzulegen versucht. Ich weiß zu wenig über
den diese Diskussion verursachenden Vorfall in Griechenland, aber wenn
zumindest der Teil der Geschichte wahr ist daß es zwei unvorbereitete
Streifenpolizisten in einem Problemviertel einer Großstadt waren, dann
haben die vermutlich nichts außer den eigenen Dienstpistolen
mitgeführt. Dafür ist diese Aussage, (fast) egal was für Geschosse
eingesetzt werden, einfach falsch.
Post by Peter LDer weiche Kern aus Blei weitet sich beim Auftreffen
auf einen menschlichen Körber auf bis zu 10 cm auf und zerreißt alle innere Organe."
Immer wieder gern zur Fortbildung meiner Mitmenschen benutzt:
http://www.firearmstactical.com/images/Wound Profiles/9mm US M882.jpg
http://www.firearmstactical.com/images/Wound Profiles/M193.jpg
Beides Vollmantelgeschosse. Einmal Pistole 9x19mm, einmal US M16
(Armeegewehr) in 5.56x45 mm. Beides Vollmantelgeschosse, beide ohne
Stahlkern.
Man kann daraus lernen, daß es vor allem auf die
Geschoßgeschwindigkeit ankommen, wenn man sich dafür interessiert ob
und wie ein Geschoß beim Eindringen in ein dichteres Medium sich
verformt.
Post by Peter LSo. Insbesondere der zweite Abschnitt klingt nach billiger Polemik.
Wieviel stimmt davon?
Sind diese Geschosse im Krieg tatsächlich verboten, werden aber von
den Polizisten verwendet?
Die Diskussion dreht sich da allenfalls darum, wie die verschiedenen
Geschoßtypen nach dem Artikel 23 (e) der Haager Landkriegsordnung zu
bewerten sind. Dieser Artikel verbietet Waffen, Projektile oder
Material das dazu geschaffen ist, unnötiges Leiden zu verursachen.
Zur Zeit der Entstehung dieser Konvention (1907) waren
Vollmantelgeschosse Stand der Technik für Munition, die nicht in
menschlichen Zielen expandiert, während Geschosse ohne Mantel oder mit
offener Bleispitze (Teilmantel) als expandierend bekannt waren, ebenso
Teilmantelgeschosse mit spezifischen Verformungen (flacher Kopf, Kreuz
als Sollbruchstelle reingefeilt oder -gefräst), insofern ist die von
Dir aus dem Forum beigebrachte Aussage zu Vollmantelgeschossen
nur wenig haltbar.
Davon abgesehen ist natürlich sachlich richtig, daß Kriegsvölkerrecht
keine rechtliche Bedeutung bei Polizeiausrüstung hat.
Post by Peter L(Der sich fragt, warum in Deutschland Polizisten selbst bei
Einsätzen am Fussballstadion immer
auch eine echte Knarre am Gürtel haben. Find ich gefährlich, wenn
die in falsche Hände gerät...)
Deshalb steckt die in einem geeigneten Holster, damit das nicht so
wirklich einfach geht.
Grüße,
Arthur
--
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A physicist is an atom's way of knowing about atoms.